Auf geht's!
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01.01.2020
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Kurz vor Alltag
Wir genießen die letzten Ferientage als Familie ohne Zeitplan oder Termine, sind ganz eng und ganz dicht zusammengerückt und verbringen eine wunderbare Zeit miteinander. Mein Kalender für 2020 kam heute so spät wie noch nie aus der Druckerei - ich hatte vorher einfach keinen Druck verspürt, ihn schon fertigzumachen. Ich nehme diese geschenkten Tage vor Beginn in ein umwälzendes 2020 gerne an und sauge alles auf, um möglichst lange von diesem Ruhegefühl zehren zu können.
Dieses Jahr werden zwei Kinder volljährig, ein Weiteres beginnt eine Ausbildung, die Kleinen sind so selbständig wie nie zuvor und ich habe weitreichende Pläne für meine persönliche und berufliche Zukunft.
Alles fühlt sich gut und richtig an wie es gerade ist.
Herausfordernd - ja.
Schwierig - bestimmt.
Aber gut und richtig.
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Träume und Realität
Seit einiger Zeit sind meine Träume sehr wirr, aber realitätsnah.
Nicht erschreckend oder Traumata wieder hochholend, wie ich das kenne, sondern aufarbeitend.
Lösungsorientiert.
Es scheint, als würde all das, was ich in den vergangenen Monaten gedanklich bearbeitet habe, nun an seinen vorgesehenen Platz fallen.
Das riesige Thema "Tochterkind" wird umso kleiner, je mehr ich von ihrem Vater und ihrer Stiefmutter über sie erfahren habe. Viele Dinge ergeben nun endlich einen Sinn. Da sind keine diffusen Ängste mehr, manchmal scheint mir eher, dass sie sich nun an genau dem Platz befindet, der der Richtige für sie ist und wo sie hingehört.
Mit mir hat das schon lange nichts mehr zu tun.
Ihre Verhaltensweisen, die mich als Mutter verletzt haben, die ich aber immer wieder aus falsch verstandener Mutterliebe verziehen habe, sind für mich als Person untragbar geworden. Und da ich in Bezug auf sie kaum noch innerhalb meiner ehemaligen Mutterrolle agiere, muss ich auch nicht in dieser reagieren. Das ist schwer, mit dieser Abnabelung, wenn man keine Zeit zum Üben im Alltag hat, sondern nur den Bruch. Sehr schwer. Die Träume von einer reibungsintensiven Abnabelung im Alltag haben mir zu Erkenntnissen verholfen, die ich hier nicht gewinnen durfte.
Das große Zusatzkind im gleichen Alter hat seinen Platz zwar auch noch nicht gefunden, steht aber mit beiden Beinen fest im Leben und hat Sprünge gemacht, die ich noch vor einem Jahr für undenkbar gehalten hätte. Ich bewundere sie sehr für diese persönliche Weiterentwicklung. Dass wir den Schritt in die Zweitwohnung mit ihr gegangen sind, in dem unsicheren Gefühl, dass es zwar das Richtige für sie ist, aber nicht sicher, ob sie dem Alltag "begleitet alleine" gewachsen sein würde, war goldrichtig. Ein Jahr später haben wir keinerlei Bedenken mehr, dass sie einen guten Weg gehen wird. Ob der eine Beteiligung unsererseits enthalten wird, ist noch unklar, aber das wird sich finden.
Was sein wird, wird sein.
Der Zusatzsohn hat aufgrund seines Talents eine sehr begehrte Ausbildungsstelle hinterhergetragen bekommen, die bereits in trockenen Tüchern ist. Auch hier eine Sorge weniger. Autismus ist keine Kranheit, kann aber eine sehr alltagseinschränkende Behinderung darstellen, die hier in diesem Fall schon viele Türen zugeschlagen hat. Umso schöner, dass sich nun so eine Wichtige geöffnet hat.
Ich habe letztes Jahr viel Herzblut und Energie und Gedanken in Menschen investiert.
Wie in jedem Jahreszyklus ist auch hier ein Punkt erreicht, an dem das Fass einfach voll ist.
Ich spüre wieder mehr Ekel vor Menschen im Allgemeinen und brauche sehr viel Distanz und Einsamkeit, um meine Akkus wieder richtig aufladen zu können.
Der Alltag wird das Seine dazu beitragen.
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Vorstufe Alltag
Der Mann ist den ersten Tag wieder arbeiten und bevor wir ab morgen auch neben der Schule gleich mit massig Arztterminen in den Januaralltag starten, ist heute noch Ruhe. Die Kinder haben sich zurückgezogen und hängen ihren Gedanken nach, es ist ganz still im Haus und scheint, als würde jeder noch die letzten Ferienruhegefühle in sich aufsaugen. Ich lasse sie und starte ein wenig "Alltag light" mit Einkaufen, Hundetraining und Haushalt und vielleicht gibt es heute sogar zu einer Zeit eine Form von Essen, die dafür gesellschaftlich vorgesehen ist. Der Sport darf auch noch einen Tag länger auf mich warten.
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Wortlos
Es gibt diese Art von Enttäuschung im Leben, für die man keine Worte findet, weil sie so tief geht, dass sie das Innerste eines Menschen berührt.
Vielleicht gibt es auch einfach Dinge, die besser unausgesprochen und unangetastet bleiben.
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Bonbonladen
Da die bürokratischen Grenzen bezüglich meiner finanziellen Bewegungen jetzt doch wesentlich weiter gefasst sind, als wir das bislang dachten, komme ich mir momentan noch vor wie ein Kind im Bonbonladen, das sich nicht entscheiden kann, welche Sorte es nun zuerst probieren soll. Startkapital habe ich auch diesmal keines, also schauen wir doch einfach mal, wo der Weg mich hinführt.
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Testosteron am Tier

Das Pöbeln und manipulative Weinen sind nur zwei davon.
Grundkommandos? Ach, das ist doch Schnee von gestern...
Leider ist man selber auch nicht gegen diese Art der umgedrehten Konditionierung gefeit und so heißt es üben, üben, üben.
Wir haben wieder Alltag und ich damit auch die Zeit, mit den beiden Bären in aller Ruhe und ohne Hektik zu üben, wie wir auch in der Öffentlichkeit ein harmonierendes Dreiergespann bilden können.
In letzter Zeit habe ich die Variante bevorzugt, mit nur jeweils einem Hund fürs Training unterwegs zu sein, weil ich mich alleine doch teilweise sehr überfordert fühlte, aber das kann ja auch nicht ewig so bleiben.
Der erste Schritt ist getan und wie immer steht und fällt alles mit meiner Grundhaltung.
Da ich heute anscheinend noch eine ganze Menge Unsicherheit zeigte, musste ich mit den aufgeregt um mich herumhopsenden Hunden noch eine geschlagene Viertelstunde im Kofferraum sitzen und sie erst zu Tode (und damit zur Ruhe) langweilen, bevor wir überhaupt loslegen konnten. Hat aber alles gut geklappt.
Bis auf den größenwahnsinnigen Eisbären, der versuchte, eine komplette Schulklasse aus 9.-Klässlern zu verbellen und dafür für 5 Minuten in die Autobox wanderte, waren wir erfolgreich.
Wir haben mit einer guten Leistung aufhören können und ich habe mich weder in den Leinen verheddert noch mich auf die Nase gelegt. Ich schaff das!
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Das Türplakat

Nachdem es letztes Jahr für die Kinder schon so gut geklappt hat, mit einem großen Türkalender den Überblick über das "große Ganze" im Jahr nicht zu verlieren, habe ich mich dieses Jahr für die noch umfangreichere Variante entschieden.
Wozu groß, wenn man es auch gigantisch machen kann?
Also habe ich ein Plakat mit den Maßen 90x120 cm gestaltet, auf dem nicht nur ein Kalender mit Beschriftungsmöglichkeiten aufgedruckt ist, sondern auch noch freie Flächen für Familienunternehmungsfotos, Eintrittskarten, Andenken.
Meine Kinder neigen dazu, bei jeder Gelegenheit zu behaupten, wir würden ja "nie" was machen und bei Erinnerung an die letzten Erlebnisse, sind diese für die Kinder "schon ewig her", also hilft es uns (also den Kindern...) auch, uns im richtigen zeitlichen Zusammenhang zu erinnern.
Mit vielen Menschen und vielen Interessen und ebensovielen Freunden und eigenen Freitzeitvorstellungen als Familie etwas gemeinsam zu unternehmen, ist eine Herausforderung, die ich auch in diesem Jahr wieder gerne annehme.
Mindestens eine große Familienunternehmung jeden Monat, Platz ist noch für einige mehr.
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Nachlass
Ein Tagebuch ist etwas zutiefst Persönliches.
Und wenn man ein Fremdes in Händen hält, ist es eine ebenso persönliche Gewissensfrage, ob man wirklich erfahren möchte, was darin steht. Es gibt mitunter Dinge, die man vielleicht lieber nicht gewusst hätte.
Und Wissen kann man nicht zurückgeben, das ist das einzig Tragische daran.
Ich habe wie geplant meine Tagebücher (die, die ich nicht weggeworfen oder gelöscht habe, weil sie irgendwann zu belastend für mich selber wurden) Korrektur gelesen, mit einigen wenigen fehlenden Bildern versehen und in vernünftige Buchform gebracht.
Im Moment kommen sie alle nach und nach aus der Druckerei und wandern in meine Nachlasskisten.
Dort finden sich für jedes Kind einzigartige Erinnerungsstücke, Mutterpässe, Briefe, die ich seit Jahren schreibe und nun eben auch meine gedruckten und nach Jahren sortierten Tagebücher.
Ich versuche so zu leben, dass ich meine Kinder jeden Tag mit Geschichten aus ihrem und meinem Früher und mit bleibenden Erlebnis-Erinnerungen versorge, aber vielleicht ist es irgendwann gut, wenn man etwas zum Anfassen hat, an dem man sich auch mal festhalten kann.
Oder es ungelesen verbrennt.
Aber das liegt dann nicht mehr in meinen Händen.
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Gute Reise
Unsere Ausbrecherkönigin, unsere Abenteurerin. "The Explorer" hat der Mann sie immer genannt und es hätte wohl keinen besseren Namen für sie geben können.
Als die Kinder ihre ersten "eigenen" Tiere bekommen haben, war sie ganz vorne mit dabei.
Das große Tochterkind suchte sie aus und sie und ihre beiden Kaninchenschwestern zogen bei uns ein.
Jahre später war sie die tollste Mutter für den allerschönsten Babykeks auf diesem Planeten. Und es ist schön, dass ein Teil von ihr mit ihrer Tochter hierbleibt.
Als ich sie heute Morgen im Stall gefunden habe, schon steif und kalt, aber noch bekuschelt von ihrer Gruppe, da suchte ich nach Krankheitsanzeichen, aber da war nichts. Alles sauber, alles entspannt. Sie muss im Schlaf gestorben sein und vielleicht war es in ihrem Alter einfach an der Zeit. Wer weiß das schon...
Und so saß heute Mittag die Kriegerprinzessin mit wütenden Tränen und einem toten Tier im Arm neben mir in der Küche und vergrub ihr Gesicht in dem weichen duftenden Fell, während ich Suppe für uns kochte.
Leben und Tod sind manchmal so eng beieinander, dass es mich fast körperlich schmerzt, diesen nur scheinbaren Widerspruch auszuhalten und zu ertragen.
Die Unfähigkeit, das Leben festzuhalten, macht mich auch heute noch hilflos.
Aber nicht mehr so hoffnungslos wie noch vor Jahren.
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Der Kiosk
Als ich hier vor 15 Jahren ankam, mit nur einem Kind, einem Hund und so viel Gepäck, Habseligkeiten und Möbeln, wie in einen kleinen Honda passte, da war der Kiosk noch eine Tankstelle.
Innen ist der Kiosk ein Kiosk, wie ich ihn aus meiner frühesten Kindheit kenne.
Eng, vor allem.
Man muss aufpassen, dass man beim Drehen nicht die halbe Ladenenrichtung herunterreißt, überall stehen Bonbongläser, Zigaretten, Zeitschriften und billige Spielsachen. Für meine Kinder ist dieser kleine Ort eine Goldgrube.
Man bekommt grundsätzlich bei jedem Besuch einen Lolli geschenkt - egal ob man nun etwas gekauft hat oder nicht.
Wenn man nicht genug Geld dabei hat, dann werden schon mal ein paar Cent erlassen und alles in der warmherzigsten Atmosphäre, die man sich nur denken kann. Unterricht im Grundwortschatz Türkisch inklusive.
Die Kinder kommen regelmäßig mit den weißen Papiertütchen voller Süßigkeiten von dort wieder, die auch ich noch aus meiner Kindheit kenne. Ich war einige Male mit, wurde mit offenen Armen empfangen, die Kinder liebevoll sofort mit ihren Lieblingssüßigkeiten versorgt und ich hätte mich am liebsten zu der Familie um den Tisch inmitten von Aufstellern mit Vuvuzelas und Merchandizing-Artikeln von 2006 dazugesetzt.
Ich hoffe, dass dieser Kiosk, der mit soviel Liebe und Herzblut betrieben wird, einmal einen besonderen Platz in den Kindheitserinnerungen meiner Kinder haben wird.
Er sollte in den Jahren danach noch Pizzeria sein, Frittenbude, Privatwohnung, Dönerstand und war zwischendurch immer mal lange Monate verlassen.
Vor einigen Jahren nun zog eine türkische Familie hierher, die sich des Kiosks angenommen hat. Morgens um 6 Uhr werden die Monoblocks vor die Tür gestellt, der Tisch kommt in die Mitte und dann holt man sich von der gegenüberliegenden Bäckerei erst einmal Frühstück.
Wenn ich zum Sport gehe, stehen bereits einige Aufsteller draußen und die Familie ist zu Kaffee und Zigaretten übergegangen.Vor einigen Jahren nun zog eine türkische Familie hierher, die sich des Kiosks angenommen hat. Morgens um 6 Uhr werden die Monoblocks vor die Tür gestellt, der Tisch kommt in die Mitte und dann holt man sich von der gegenüberliegenden Bäckerei erst einmal Frühstück.
Innen ist der Kiosk ein Kiosk, wie ich ihn aus meiner frühesten Kindheit kenne.
Eng, vor allem.
Man muss aufpassen, dass man beim Drehen nicht die halbe Ladenenrichtung herunterreißt, überall stehen Bonbongläser, Zigaretten, Zeitschriften und billige Spielsachen. Für meine Kinder ist dieser kleine Ort eine Goldgrube.
Man bekommt grundsätzlich bei jedem Besuch einen Lolli geschenkt - egal ob man nun etwas gekauft hat oder nicht.
Wenn man nicht genug Geld dabei hat, dann werden schon mal ein paar Cent erlassen und alles in der warmherzigsten Atmosphäre, die man sich nur denken kann. Unterricht im Grundwortschatz Türkisch inklusive.
Die Kinder kommen regelmäßig mit den weißen Papiertütchen voller Süßigkeiten von dort wieder, die auch ich noch aus meiner Kindheit kenne. Ich war einige Male mit, wurde mit offenen Armen empfangen, die Kinder liebevoll sofort mit ihren Lieblingssüßigkeiten versorgt und ich hätte mich am liebsten zu der Familie um den Tisch inmitten von Aufstellern mit Vuvuzelas und Merchandizing-Artikeln von 2006 dazugesetzt.
Ich hoffe, dass dieser Kiosk, der mit soviel Liebe und Herzblut betrieben wird, einmal einen besonderen Platz in den Kindheitserinnerungen meiner Kinder haben wird.
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Stolpern
Die wohl umfassendste Erkenntnis dieser Tage ist jene, dass ich Menschen lieben kann, ohne sie zu mögen. Liebe ist für mich persönlich ein existenzielles Gefühl von Zuneigung und Zärtlichkeit, das anscheinend in keinster Weise mehr davon beeinträchtigt wird, dass man dem Verhalten eines Menschen, seinen Wert- und Moralvorstellungen und seinen Entscheidungen ablehnend gegenübersteht.
Und diese Erkenntnis erlöst von der schier unmenschlichen Aufgabe, das, was ein Mensch mit diametralem Wertesystem tut, mit der Liebe für ihn unter einen Hut bringen zu müssen. Dass diese zwei Gefühlsstränge unabhängig voneinander exisiteren können, ist mir neu.
Ich bin ein Mensch, der die Dinge am liebsten schwarz und weiß betrachtet. Entweder oder. Alles oder nichts. Sieg oder Tod. Das sind die Dinge, an denen ich mich seit 4 Jahrzehnten orientiere.
Mein Wandlungsprozess der letzten Jahre macht Dinge möglich, die ich für unvereinbar hielt.
Und ich finde das momentan nicht einmal schlimm. Im Gegenteil. Ich erfreue mich an einer Liebe und an meiner Zuneigung für Personen, während ich mich gleichzeitig von ihnen abgrenze. Ein Paradoxon, das mir gerade den Weg öffnet, in Liebe weitergehen zu können, ohne meine eigenen Grundwerte zu verraten.
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Die Tüte am Tor
Wir haben eine Nachbarin, von der niemand von uns weiß, wie sie heißt, wo genau sie nun "oben auf dem Berg" wohnt oder wie ihre Lebensumstände sind.
Wir wissen nur, dass sie früher auch einmal Kaninchen hatte und beim Anblick unserer Tiere im Garten, wenn sie hinten über den Zaun schaut, viel Wehmut verspürt.
Es ist Jahre her, dass wir das erste Mal über die Tiere gesprochen haben und sie mich fragte, ob sie denn von Zeit zu Zeit ein paar Grünabfälle bringen dürfte - für die Tiere. Oder trockene Brötchen. Ihre hätten so gerne trockene Brötchen gegessen. (Unsere tun das natürlich auch liebend gern.)
Und aus "von Zeit zu Zeit" wurde schnell "regelmäßig ein bis zweimal die Woche" und ich freue mich von ganzem Herzen jedes einzelne Mal, wenn ich die Haustür öffne, und eine kleine Tüte am Tor hängt.
Mal sind es nur die Schale und die Blätter von einem Kohlrabi, mal getrocknete Brötchen, manchmal aber auch ein halber Salat und ein halber Blumenkohl. Ich verspüre sehr viel Zuneigung für diese Form von Zwischenmenschlichkeit.
Manchmal habe ich das Glück, sie rechtzeitig zu sehen und wir reden eine wunderbare Weile über Gott und die Welt, aber in den meisten Fällen hängt da nur diese Tüte, die Sinnbild für so vieles ist, was ich an diesem Leben liebe.
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Corona
Es ist immer wieder erstaunlich, wie Menschen es schaffen, mein Bild von dem, was wir so euphemistisch "Zivilisation" nennen, noch weiter nach unten zu korrigieren.
Ich bin zurzeit so fertig mit meinen Mitmenschen und meine Nächstenliebe ist weit über das normale Maß hinaus erschöpft. Die angespannte Situation fordert ihren Tribut, die Nerven der meisten Leute liegen blank und ich bin so unendlich dankbar, dass ich meine Kinder hier bei mir haben kann und sie nicht rauslassen muss.
Ich bin dankbar für Haus und Garten und ganz ganz viel Abstand zu den vielen Irren, die da draußen anscheinend nur noch von ihrem Reptiliengehirn gesteuert werden.
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Danke.
Wir haben in den vergangenen Jahren viele schmerzhafte Lektionen gelernt.
Ich glaube, ich habe mich nie richtig bei dir dafür bedankt, dass du um uns gekämpft hast, als ich uns schon fast aufgegeben habe.
Dass du ausgehalten hast.
Mich.
Dich.
Uns.
Den Schmerz.
All meinen Hass, die Wut und die Dunkelheit.
Dass du dich jeden Tag der schmerzhaften Auseinandersetzung mit mir gestellt hast, ohne jemals dein Rückgrat zu verlieren.
Du hast dort gestanden, aufrecht, stark, unbeugsam und ... demütig.
Wir sind andere, als wir davor waren und das ist etwas Gutes.
Wir haben es geschafft, unser Licht vor der Dunkelheit zu bewahren.
Das ist zum größten Teil dein Verdienst.
In all der Zeit hast du niemals an uns gezweifelt. Bist nie auch nur einen Schritt zurückgewichen. Egal, wie sehr ich getobt habe.
Und dafür bin ich dir unendlich dankbar.
Man sagt, die besten Männer erwachsen aus ihren größten Fehlern.
Danke, dass du da bist. Dass du zu mir gehörst.
Ich liebe dich.
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Lieber Opa,
es ist gerade etwas seltsam hier.
Vor 11 Tagen habe ich noch mehr als sonst an dich gedacht, weil wir da den ersten Geburtstag des kleinen Eisbären, der mal ein Hund werden möchte, gefeiert haben und dieser so schicksalsträchtig auf deinem Geburtsdatum liegt.
Der Kirschbaum war an diesem Tag voller Knospen, wie jedes Jahr.
Und wie jedes Jahr wird er in 5 Tagen - an deinem Todestag - in voller Blüte stehen.
Du bist in diesem Jahr 11 Jahre tot und immer noch so lebendig für mich wie du es immer warst.
Ich würde dir so gerne von deinem Sohn erzählen und davon, wie er seinen Frieden findet und wie ich meinen Frieden mit ihm mache, aber das weißt du vermutlich längst.
Der psychopathische Mann im Anzug, vor dem du mich beschützt hast, aber nie retten konntest, der ist schon lange weg. Wir schaffen gerade etwas Neues, das ich bislang nur aus der Beziehung mit dir kenne. Ich frage mich, wie er so viele Jahrzehnte ein Leben leben konnte, das anscheinend so wenig seinen innersten Bedürfnissen entsprochen hat.
Und ich glaube, da liegt viel in deiner Verantwortung. Nicht Schuld. Aber Verantwortung.
Du warst immer so stolz darauf, dass er sein Leben lang verleugnet hat, was er wirklich wollte: Natur, Abgeschiedenheit und seine Ruhe. Natürlich hat ihn die Chemie interessiert, aber eher das Bombenbauen. Nicht der Teil mit Anzug, Vorstandsetage und internationalen Verhandlungen.
Den wolltest nur du für ihn. Und darauf warst du mehr als stolz. Das bessere Leben, das du immer für ihn wolltest, das hat er gelebt. Mit Luxus, Reichtum, Ansehen, perfekter Familie. Und es hat ihn unglücklich gemacht.
Inzwischen lebt er allein im Wald. Mit minimalen sozialen Kontakten. Mitten in der Natur. Versorgt sich selbst, hat seine Ruhe und ist ... glücklich. Ich wünschte so sehr, du könntest ihn so erleben. Und ich frage mich, ob dich das stolz machen würde. Oder ob das bessere Leben, das du für ihn wolltest, diesen Aspekt nie vorgesehen hatte.
Er war in all seinem Unglück ein sehr schlechter Vater. Und ich glaube, du warst ihm auch einer.
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Mai

Ich habe Raum, Zeit und Muße, mich um meine Pflanzen und um die Gartenplanung zu kümmern. Und so verbringe ich bei passendem Wetter jede freie Minute draußen.
Die Setzlinge erfreuen mich jeden Tag, die Obstbäume haben einen außergewöhnlich reichen Fruchtansatz und auch die baulichen Veränderungen im Garten gehen voran. Der Garten geht gerade riesige Schritte auf dem Weg zu dem, wie er in meinem Kopf schon seit vielen Jahren aussieht. Und das ist ganz wunderbar.
Die Hecke hat inzwischen die zwei Meter überschritten - dieses Jahr wird das erste sein, in dem die Nachbarn nicht mehr mühelos von ihrem Stellplatz ins Hasengehege blicken können. Es ist eine grüne dichte Mauer, die so voller Leben ist, dass ich mich daran gar nicht sattsehen kann.
Die Gemüsepflanzen haben endlich einen hasen- UND hundesicheren Platz, es nimmt alles allmählich Form an. Ich bin durch das gute Wetter perfekt im Aussaatplan und habe einen ganzen Kopf voller Ideen und auch die gesundheitliche Verfassung, sie alle umsetzen zu können.
Große Gartenliebe. Im Mai sowieso. Einer der besten Monate des ganzen Jahres!
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Geburtstag mal anders

Einfach, weil wir das lieben und es für uns etwas Großartiges ist.
Dieses Jahr ist alles anders.
Normalerweise wäre ich Anfang Mai schon mitten in Vorbereitungen, Aufbauten, Spielkonzepten und Materialbeschaffung oder -ordnung.
Nicht dieses Jahr.
Wir feiern nicht.
Da die Kinder noch nie weitere Familie hatten (ich habe keine Geschwister, der Mann hat keinen Kontakt, unsere Mütter sind tot, die Väter wohnen weit weg), war immer klar, dass ein Geburtstag etwas ist, das man mit seiner Wahlfamilie - nämlich all seinen Freunden feiert.
Es ist spannend, zu erleben, was der Verzicht darauf in diesem Jahr mit uns macht. Ich habe sehr viel freie Energie und Zeit, die ich anderweitig investieren kann und genieße das mit einem lachenden und einem weinenden Auge.
Die Partyplanung für so viele Kinder war immer fester Bestandteil meines Jahresablaufs und letzen Endes natürlich auch ein Teil meines Geschenks an das jeweilige Kind.
Die Kinder nehmen auch diesen Aspekt mit eher stoischer Gelassenheit hin. Genau wie all die anderen Einschränkungen, denen sie gerade unterliegen. Ich werte es als positives Zeichen, dass sie sich auch in diesen stürmischen Zeiten kaum aus der Ruhe bringen lassen und im Grunde genommen doch all das hier haben, was sie brauchen.
Die Kanäle, über die sie mit ihren Freunden kommunizieren können, sind dieser Tage gefühlt immer offen und das fängt viel auf.
Das wird an ihren Geburtstagen ebenfalls tragen, dass die Menschen, die ihnen nahestehen, zwar nicht anwesend, aber da sind.
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Qual
Es sind Nächte wie die vergangene, auf die Tage wie heute folgen.
Voller Hass, Selbstzweifel, Trauer und Wut.
Voller Hätte und Wenn und Wäre.
Voller Trauer vor allem.
Wenn ungeweinte Tränen aus zwei Jahren in die Augen steigen und man nichts dagegen tun kann.
Außer weinen. Was man sich geschworen hat, wegen diesem Menschen nie wieder zu tun.
Auch wenn es das eigene Kind ist.
War?
Ach, ich weiß es ja nicht.
Die Zweifel sind groß und die kleine Menge der Menschen, die zum tausendsten Mal die tragische Geschichte meines Verlusts anhören wollen, tendiert inzwischen gen Null. Was ich sogar verstehen kann. Ich kenne alle Es ist jetzt schon lange hers, alle Sie ist ja nicht aus der Welts und vor allem alle Das wird irgendwann schon wieders.
Und ich zerbreche allein beim Gedanken an einen weiteren Allgemeinplatz, eine weitere Floskel, eine weitere sensationslüsterne Nachfrage. Ich kann das nicht mehr und ich will das nicht mehr.
Natürlich haben wir das aufgearbeitet. Dutzende Stunden mit und ohne Supervision darauf verschwendet, die Lage und jedem nur denkbaren Gesichtspunkt zu beleuchten und zu zerkauen. Intellektuell ist alles gesagt.
Das Herz schreit immer noch. Laut. Verzweifelt.
Es gibt keinen Trost.
Will in den Arm nehmen, festhalten, nie wieder loslassen.
Will die Zeit zurückdrehen und irgendetwas anders machen.
Egal was.
Alles, wenn es nötig sein sollte.
Es ist müßig. Sie kommt nicht zurück. Ich kann sie nicht zu Kontakt zwingen. Zu Antworten schon gar nicht. Zwei Jahre ohne mein Kind. Ohne zu wissen, wie es ihr tatsächlich geht. Nur mit der Ahnung, mit hingeworfenen Brocken von Jahr zu Jahr, mit Bruchstücken aus Polizeiberichten, und mit ganz viel vorgespieltem Alles in Ordnung. Mit Schweigen. Vor allem mit Schweigen.
Und einem in unendlich viele Stücke zersprungenen Mutterherz, das kaum noch in der Lage ist, irgendetwas zu empfinden.
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Schnitte

Nicht, dass das irgendetwas Besonderes gewesen wäre, das ich an anderen Tagen nicht tue, aber heute hat es mir ein Stück inneren Frieden geschenkt.
Nicht nur ein bisschen, nicht den allgegenwärtigen „Ich bin im Garten und so dankbar für Haus und Natur drumherum und das Wetter ist schön“-Frieden, sondern tiefes Glück. Das, das man spürt, wenn man mit sich und der Welt im Einklang ist. Wenn man geerdet ist. Viele dieser Redewendungen kommen völlig zu Recht aus der Natur.
Ich habe also aus einigen wunderbaren großen starken Pflanzen jeweils 4-6 „neue“ Pflanzen gemacht, wobei das ja gar nicht stimmt. Alles ist eins. Man gräbt den recht dichten und schweren Wurzelballen aus – ich habe das heute gemacht, weil es so viel geregnet hat und schön kühl ist – und lässt sich überraschen.
Es gibt zwei Arten von Pflanzen.
Die, die schon beim Ausgraben auseinanderfallen und bei denen man sich nur noch durch das Gewirr an Wurzeln schütteln muss, bis man ein halbes Dutzend neue Pflanzen in der Hand hält.
Sie sind perfekt. Jede Einzelne. Jede hat reichlich Blätter, schöne Wurzeln und ist an keiner Stelle mehr mit der ursprünglichen Pflanze verbunden.
Und dann gibt es die anderen. Der Wurzelballen ist so fest, so dicht verwachsen, dass selbst große Steine darin festgehalten werden. Das sind die Pflanzen, die ich am liebsten sofort wieder einbuddeln würde. Dort fällt nichts auseinander. Alles ist verbunden, dicke, saftige Rhizome ziehen sich von Pflanzenteil zu Pflanzenteil und es gibt nur eine Möglichkeit, diese Pflanzen zu teilen: Mit einem möglichst scharfen Messer.
Natürlich sieht man, wo sich die einzelnen Pflanzenteile voneinander trennen wollen, und genau dort schneidet man. Das ist für mich nie ein gutes Gefühl. Ist doch auch die Wahrscheinlichkeit, die Pflanze so zu verletzten, dass sie eingeht, sehr viel höher als im ersten Fall.
Und dann täte es mir um all die Jahre leid, die ich die Pflanze schon begleite – vom Samen bis hin zur prächtigen, ausladenden Staude.
Nur, weil so ein Depp wie ich plötzlich auf die Idee kommt, ein fest zusammengewachsenes Gefüge teilen zu wollen und dabei aus Unachtsamkeit einen Teil einfach tötet.
Aber ja, auch das ist Wachstum.
Das Trennen von (auch noch durchbluteten) Lebensadern.
Auf dass jeder einzelne Teil auf sich allein gestellt eine noch größere und noch prächtigere Pflanze werden kann, als es ihm im Verbund jemals möglich gewesen wäre.
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